Finanzskandal und verspätete Fähren

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    Es gibt 1 Antwort in diesem Thema. Der letzte Beitrag () ist von Isabella MacDuff.

      Finanzskandal und verspätete Fähren

      Die Dominanz von Schottlands Nationalisten ist gefährdet - auch durch frühere Lichtgestalten.

      In seiner Partei seien viele „schockiert“ über die „sehr ernsten Anschuldigungen“ – auf diesen Nenner brachte am Freitag der schottische Ministerpräsident Humza Yousaf die Anklage wegen Unterschlagung gegen den früheren langjährigen Generalsekretär der Nationalpartei SNP. Im Privatleben ist Peter Murrell der Ehemann der langjährigen schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon (2014-23), der einstigen Lichtgestalt der Unabhängigkeitsbewegung. Auch die 53-Jährige gilt bei der Glasgower Kripo als Beschuldigte in der seit Jahren schwelenden Affäre um die Parteifinanzen.

      Die sensationelle Anklage sowie der nun bevorstehende Strafprozess stellt Yousafs größtes, aber keineswegs einziges Problem im beginnenden Wahlkampf für die im Herbst erwartete Unterhauswahl dar. Am früheren Verkehrsstaatssekretär Yousaf klebt in der Bevölkerung bis heute eine dilettantische Beschaffung neuer Fähren für die vielen Inseln vor der schottischen Westküste. Mit dem Bau neuer Schiffe wurde eine Firma ohne einschlägige Erfahrung beauftragt; der entsprechende Prüfbericht sprach von einem Millionenverlust. Immer neue Verzögerungen beim Einsatz neuer Fähren erinnern die Schott:innen stets aufs Neue an die Versäumnisse aus Yousafs Amtszeit.

      Zu Monatsbeginn erwies sich ein neues Gesetz gegen die verbale Diskriminierung von Minderheiten als Rohrkrepierer. Binnen einer Woche gingen bei der ohnehin total überlasteten Polizei mehr als 3000 Anzeigen wegen der sogenannten „Hassverbrechen“ ein; Frauenrechtlerinnen zeigten sich empört darüber, dass nun zwar Behinderte, Alte, Juden und Muslime sowie Transgender-Menschen Schutz genießen, misogyne Äußerungen aber nicht unter Strafe stehen.

      Auch Klima-Aktivist:innen sind schwer enttäuscht von der durch die Grünen geduldeten SNP-Minderheitsregierung. Am Donnerstag musste Klimaschutz-Ministerin Mairi McAllan im schottischen Parlament einräumen: Die noch aus Sturgeons Amtszeit stammenden ehrgeizigen Ziele auf dem Weg zur Netto-Klimaneutralität werden nicht eingehalten. Bis 2030 sollte der Ausstoß klimaschädlicher Emissionen im Norden des Vereinigten Königreichs um 75 Prozent reduziert werden.

      In der peinlichen Finanzaffäre rund ums Ehepaar Sturgeon steht die Summe von 666.953 Pfund (779.000 Euro) in Rede. Das Geld hatte die SNP für das seit 2017 angestrebte zweite Referendum über Schottlands Unabhängigkeit eingesammelt; das Vorhaben ist bisher nicht nur am energischen Widerstand der konservativen Regierung in London gescheitert, sondern auch am von Schotten geführten Supreme Court des Königreichs. Bei der Volksabstimmung vor zehn Jahren hatten sich die Bürger:innen mit 55 zu 45 Prozent für den Fortbestand der Union entschieden.

      Fragen zu den Finanzen der Partei und der vor allem von der SNP getragenen Unabhängigkeitsbewegung gibt es spätestens seit 2020. Im Mittelpunkt aller Ermittlungen stand von Anfang an der langjährige Generalsekretär Murrell, heute 59, der zwei Jahrzehnte lang als wichtigster Strippenzieher der Nationalpartei amtierte, zunächst unter dem ersten SNP-Ministerpräsidenten Alex Salmond. Als Sturgeon das Parteizepter übernahm, blieb Murrell dennoch im Amt, was die Partei hinnahm, geblendet von den glänzenden Wahlergebnissen unter dem Power-Paar. Im Finanzskandal haben Murrell und Sturgeon stets ihre Unschuld beteuert.

      Für den glücklosen Yousaf und seine Partei sieht es zappenduster aus, egal wie der Strafprozess endet. Die Dominanz der SNP sei „so gefährdet wie seit 2011 nicht mehr“, analysiert Politikprofessor John Curtice von der Glasgower Strathclyde-Universität. In jüngsten Umfragen liegen die Nationalisten gleichauf mit der Labour-Party unter Oppositionsführer Keir Starmer.

      Quelle: Frankfurter Rundschau