Sägemehl auf dem Boden, der Geruch von rohem Fleisch in der Luft. So war das in der britischen Metzgerei der Skellys. Tante Joanna erinnert sich.
Das Geschäft war für mich wie ein zweites Zuhause“, sagt die Metzgerstochter Joanna Ann Wilson über die Metzgerei, die seit mehr als 250 Jahren in Familienbesitz ist. W. R. Skelly and Son ist eine der ältesten Metzgereien Großbritanniens. Die erste Niederlassung gab es 1770 in Tweedmouth in Northumberland. Dann zog es die Eigentümer 1880 nach Berwick-upon-Tweed, einer kleinen Stadt an der Grenze von England und Schottland.
W. R. Skelly and Son bieten der Kundschaft neben traditionellen Produkten wie Schweine-, Rind- und Lammfleisch auch Wildschwein und Straußburger an. Inhaber ist der 50-jährige John Skelly. Seine Tante Joanna erinnert sich gut an ihre Kindheit. Das Geschäft war für die ganze Familie ein gemeinsamer Arbeitsplatz. Jedes Mitglied hatte seine Aufgabe und half, wo es nötig war. Die Väter und Söhne arbeiteten hinter der Theke und bereiteten das Fleisch zu, die Frauen und Töchter versorgten die Männer in den Pausen mit Essen. In den 1940/50er Jahren gehörte die Metzgerei Joannas Vater. William Skelly war wegen seiner ruhigen Art und seines Fleißes ein erfolgreicher Geschäftsmann. Die viele Arbeit und die ständig gebeugte Körperhaltung führten dazu, dass sich der Rücken rundete, sodass er einem Buckel ähnlich wurde. Ab und zu wurde William von seinem Vater und seinem Sohn Billy unterstützt, sodass manchmal drei Generationen hinter der Fleischtheke arbeiteten.
Sie kann das Geräusch dieser Vögel bis heute nicht ertragen
Bei W. R. Skelly and Son hatte der Kunde immer recht und wurde von allen Mitarbeitern dementsprechend behandelt. Joanna erinnert sich, wie ihr Bruder seinen Akzent je nach Kunde verstellen konnte und gerade bei der weiblichen Kundschaft äußerst beliebt war: „Der Geruch von rohem Fleisch und tropfendem Fett erfüllte den Laden.“ Der Boden war nämlich aus Holz und lag unter einer Decke von Sägemehl, um das herabtropfende und verspritzte Blut der bearbeiteten Fleischstücke aufzusaugen. So war das Aufwischen und Reinigen des Ladens am Ende des Tages einfacher. Bis heute kann sie das Flattern von Vögeln nicht ertragen, da es sie an die Zeiten erinnert, in denen die Familie Skelly verängstigte Truthähne, die kurz vor ihrer Schlachtung standen, in kleinen Verschlägen neben der Metzgerei eingesperrt hielt.
Vier Finger in der Wurstmaschine
Damals hat die Familie noch viel selbst geschlachtet. Die Arbeit war nicht ungefährlich, die Werkzeuge waren scharf, Sicherheitsbestimmungen gab es nicht. Verletzungen waren die Folge. Joanna Wilsons Onkel Jasper Skelly verlor sogar vier Finger einer Hand in der Wurstmaschine. Das Mitleid der Kunden hielt sich in Grenzen. Man scherzte über „Uncle Jasper’s Fingers“, die den Würsten ein gewisses Etwas verliehen. Außerdem erinnert sich die zehnfache Großmutter an das knarrende Geräusch der Fleischwölfe, die mit der Hand betrieben wurden. Auch die Würste wurden von Hand gefertigt. „Ich habe immer noch vor Augen, wie mein Vater die Papiertüten, in denen er das Fleisch verkaufte, an beiden Ecken hielt und durch die Luft drehte, um sie zu verschließen.“ Außerdem sieht sie noch, wie die Männer nach der Arbeit vor der Tür standen und mit einer Bürste ihre nach einem langen Arbeitstag verschmutzten Hosen abbürsteten.
In einem schottischen Dorf
Wenn die siebzigjährige Joanna Ann Wilson, die seit 40 Jahren mit ihrem Mann John in dem kleinen Dorf Lochmaben im Südwesten Schottlands lebt, ihre Familie in Berwick besucht, zieht es sie immer wieder in die Metzgerei. Außer neuen Fensterscheiben hat sich seit Joannas Kindheit nicht viel verändert. Natürlich mussten die Hygienemaßnahmen den veränderten Bestimmungen angepasst werden. Auch ist es heute nicht mehr akzeptabel, einen Hund im Geschäft zu halten, „der am Ende des Tages nach Fleischresten stöbert“.
Ihr Fleisch bezieht die Familie Skelly von ansässigen Bauern. So kann sich die Kundschaft qualitativ hochwertigen Fleisches sicher sein. Dennoch scheint es unmöglich, die Metzgerei auch in Zukunft im Familienbesitz zu halten. Supermärkte, die eine mächtige Konkurrenz darstellen und vergleichsweise minderwertiges Fleisch billig ein- und verkaufen, machen sie immer weniger rentabel. Zudem schreckt die harte Arbeit den Nachwuchs ab, sodass in absehbarer Zeit ein Schließen des Betriebes die Folge sein wird. Eine Tatsache, der nicht nur die Skellys mit Bedauern entgegensehen.
Quelle: Frankfurter Allgemeine
Das Geschäft war für mich wie ein zweites Zuhause“, sagt die Metzgerstochter Joanna Ann Wilson über die Metzgerei, die seit mehr als 250 Jahren in Familienbesitz ist. W. R. Skelly and Son ist eine der ältesten Metzgereien Großbritanniens. Die erste Niederlassung gab es 1770 in Tweedmouth in Northumberland. Dann zog es die Eigentümer 1880 nach Berwick-upon-Tweed, einer kleinen Stadt an der Grenze von England und Schottland.
W. R. Skelly and Son bieten der Kundschaft neben traditionellen Produkten wie Schweine-, Rind- und Lammfleisch auch Wildschwein und Straußburger an. Inhaber ist der 50-jährige John Skelly. Seine Tante Joanna erinnert sich gut an ihre Kindheit. Das Geschäft war für die ganze Familie ein gemeinsamer Arbeitsplatz. Jedes Mitglied hatte seine Aufgabe und half, wo es nötig war. Die Väter und Söhne arbeiteten hinter der Theke und bereiteten das Fleisch zu, die Frauen und Töchter versorgten die Männer in den Pausen mit Essen. In den 1940/50er Jahren gehörte die Metzgerei Joannas Vater. William Skelly war wegen seiner ruhigen Art und seines Fleißes ein erfolgreicher Geschäftsmann. Die viele Arbeit und die ständig gebeugte Körperhaltung führten dazu, dass sich der Rücken rundete, sodass er einem Buckel ähnlich wurde. Ab und zu wurde William von seinem Vater und seinem Sohn Billy unterstützt, sodass manchmal drei Generationen hinter der Fleischtheke arbeiteten.
Sie kann das Geräusch dieser Vögel bis heute nicht ertragen
Bei W. R. Skelly and Son hatte der Kunde immer recht und wurde von allen Mitarbeitern dementsprechend behandelt. Joanna erinnert sich, wie ihr Bruder seinen Akzent je nach Kunde verstellen konnte und gerade bei der weiblichen Kundschaft äußerst beliebt war: „Der Geruch von rohem Fleisch und tropfendem Fett erfüllte den Laden.“ Der Boden war nämlich aus Holz und lag unter einer Decke von Sägemehl, um das herabtropfende und verspritzte Blut der bearbeiteten Fleischstücke aufzusaugen. So war das Aufwischen und Reinigen des Ladens am Ende des Tages einfacher. Bis heute kann sie das Flattern von Vögeln nicht ertragen, da es sie an die Zeiten erinnert, in denen die Familie Skelly verängstigte Truthähne, die kurz vor ihrer Schlachtung standen, in kleinen Verschlägen neben der Metzgerei eingesperrt hielt.
Vier Finger in der Wurstmaschine
Damals hat die Familie noch viel selbst geschlachtet. Die Arbeit war nicht ungefährlich, die Werkzeuge waren scharf, Sicherheitsbestimmungen gab es nicht. Verletzungen waren die Folge. Joanna Wilsons Onkel Jasper Skelly verlor sogar vier Finger einer Hand in der Wurstmaschine. Das Mitleid der Kunden hielt sich in Grenzen. Man scherzte über „Uncle Jasper’s Fingers“, die den Würsten ein gewisses Etwas verliehen. Außerdem erinnert sich die zehnfache Großmutter an das knarrende Geräusch der Fleischwölfe, die mit der Hand betrieben wurden. Auch die Würste wurden von Hand gefertigt. „Ich habe immer noch vor Augen, wie mein Vater die Papiertüten, in denen er das Fleisch verkaufte, an beiden Ecken hielt und durch die Luft drehte, um sie zu verschließen.“ Außerdem sieht sie noch, wie die Männer nach der Arbeit vor der Tür standen und mit einer Bürste ihre nach einem langen Arbeitstag verschmutzten Hosen abbürsteten.
In einem schottischen Dorf
Wenn die siebzigjährige Joanna Ann Wilson, die seit 40 Jahren mit ihrem Mann John in dem kleinen Dorf Lochmaben im Südwesten Schottlands lebt, ihre Familie in Berwick besucht, zieht es sie immer wieder in die Metzgerei. Außer neuen Fensterscheiben hat sich seit Joannas Kindheit nicht viel verändert. Natürlich mussten die Hygienemaßnahmen den veränderten Bestimmungen angepasst werden. Auch ist es heute nicht mehr akzeptabel, einen Hund im Geschäft zu halten, „der am Ende des Tages nach Fleischresten stöbert“.
Ihr Fleisch bezieht die Familie Skelly von ansässigen Bauern. So kann sich die Kundschaft qualitativ hochwertigen Fleisches sicher sein. Dennoch scheint es unmöglich, die Metzgerei auch in Zukunft im Familienbesitz zu halten. Supermärkte, die eine mächtige Konkurrenz darstellen und vergleichsweise minderwertiges Fleisch billig ein- und verkaufen, machen sie immer weniger rentabel. Zudem schreckt die harte Arbeit den Nachwuchs ab, sodass in absehbarer Zeit ein Schließen des Betriebes die Folge sein wird. Eine Tatsache, der nicht nur die Skellys mit Bedauern entgegensehen.
Quelle: Frankfurter Allgemeine