EU-Referendum / Brexit

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    Es gibt 435 Antworten in diesem Thema. Der letzte Beitrag () ist von The Flying Scotsman.

      Britisches Unterhaus stimmt endgültig für den Brexit

      Das britische Unterhaus hat Premierministerin Theresa May das Mandat erteilt, den EU-Austritt des Landes einzuleiten. 494 Abgeordnete stimmten gestern in letzter Lesung für eine entsprechende Gesetzvorlage, 122 dagegen. Nun muss noch das Oberhaus zustimmen, aber auch dort gilt die Billigung als sicher. Premierministerin Theresa May will den Austrittsantrag Ende März in Brüssel einreichen.

      Nach dem knappen Ja für einen EU-Austritt bei der Volksabstimmung im Juni vergangenen Jahres hatte die Regierung die Parlamentarier zunächst gar nicht einschalten wollen. Das Oberste Gericht Großbritanniens entschied jedoch Ende Januar, dass May vor dem Antrag auch die Zustimmung des Parlaments braucht und ihre Regierung brachte eilig einen entsprechenden - äußert knapp gefassten - Gesetzentwurf ein. Darin wird lediglich festgehalten, dass May gemäß Artikel 50 der Europäischen Union einen Antrag für einen Austritt Großbritanniens aus der EU stellen darf. Der Brexit selbst - und seine Bedingungen - wurden in der Vorlage nicht zur Debatte gestellt.

      Die Regierung argumentierte, dass die Entscheidung dafür bereits im vergangenen Juni von den Wählern getroffen worden sei. Auch viele Abgeordnete der Opposition schlossen sich dieser Sichtweise an und winkten die Vorlage in der vergangenen Woche in erster Lesung bereits mit 498 zu 114 Stimmen durch. Während der Parlamentsdebatte über die Vorlage versuchten einige Brexit-Gegner zwar, dem Parlament durch Änderungsanträge größere Einflussmöglichkeiten auf die Austrittsgespräche zu erstreiten, allerdings vergeblich.

      Im Oberhaus, wo die Mitglieder auf Lebenszeit bestellt sind, dürfte es weitere Versuche in diese Richtung geben. Damit könnte der Zeitplan der Premierministerin durcheinandergewirbelt werden. Nach dem Antrag in Brüssel werden May und ihre Regierung mit der EU etwa zwei Jahre lang über die Bedingungen des Brexits verhandeln. Das fertige Abkommen soll dann noch einmal dem britischen Parlament vorgelegt werden.

      Quelle: RP Online

      Schottland in der Klemme Blitzentscheid noch vor dem Brexit?

      Die Schotten haben Mitte 2016 für den Verbleib in der EU gestimmt. Nun sollen sie nicht einmal im EU-Binnenmarkt bleiben dürfen, wenn es nach London geht. Somit verlangt das schottische Parlament jetzt von der britischen Regierung einen sofortigen Brexit-Stopp.

      Eigentlich will sie gar ja kein Unabhängigkeitsreferendum. Zumindest keines jetzt oder in allernächster Zeit. Aber Nicola Sturgeon, Schottlands Regierungschefin, hat vielleicht schon bald keine andere Wahl mehr, als sich für eine erneute Volksabstimmung über die Trennung Schottlands von England zu entscheiden. Viele ihrer Landsleute halten es mittlerweile für wahrscheinlich, dass sie zu einem zweiten Anlauf zum „Scoxit“ ruft.

      Dabei ist es noch keine drei Jahre her, dass das letzte Referendum zur Unabhängigkeit Schottlands abgehalten wurde. Im September 2014 stimmten 45 Prozent der schottischen Wähler für staatliche Souveränität und 55 Prozent für den Verbleib im Vereinigten Königreich. Eins der Argumente, das zu jener Zeit gegen schottische Unabhängigkeit vorgebracht wurde, war die Warnung, dass Schottland beim Schritt in die Unabhängigkeit automatisch aus der EU purzeln würde – und dass es nur unter großen Schwierigkeiten und erst nach vielen Jahren wieder in der EU Aufnahme finden würde. Das Risiko, meinten viele Schotten damals, sei einfach zu groß.

      Im Wahlprogramm die Tür schon geöffnet

      Inzwischen liegt die Sache anders. Jetzt wollen die Londoner Regierung und die Parlamentsmehrheit in Westminster das gesamte Königreich einschließlich Schottland aus der EU hebeln. Dazu befugt glaubt sich Premierministerin Theresa May durch das Votum beim EU-Referendum im Vorjahr. Dank knapper Brexit-Mehrheiten in England und Wales siegten die EU-Gegner in Großbritannien mit 52 Prozent. Die Schotten stimmten mit 62 zu 38 Prozent dagegen. Sie wollten „in Europa“ bleiben. Und die in Schottland regierende Schottische Nationalpartei (SNP) hält das für „ihr“ separates, demokratisches Mandat.

      Dass Schottland nun gegen seinen ausdrücklichen Willen aus EU, Binnenmarkt und Zollunion „gezerrt“ werden soll, ist für SNP-Regierungschefin Sturgeon schlicht inakzeptabel. Für den Fall einer Divergenz zwischen dem schottischen und dem gesamtbritischen Ergebnis hatte die SNP in ihr letztes Wahlprogramm ja vorsichtshalber schon die Möglichkeit eines erneuten Unabhängigkeitsreferendums für Schottland eingebaut. Festlegen wollte sich Nicola Sturgeon auf eine solche Aktion allerdings nicht, und das aus gutem Grund. Im Anschluss an das Ja ihrer Landsleute zum Verbleib im Königreich im Herbst 2014 hat sich in Schottland nämlich wenig bewegt in den Meinungsumfragen.

      Kompromiss mit May ist das Ziel

      Beharrliche Zweifel am Sinn der Unabhängigkeit haben sich gehalten in dieser Zeit. Zum Beispiel fragen sich viele Schotten, wenn sie an die Haushaltsprobleme ihres Landes und an die Krise der Ölindustrie in der Nordsee denken, ob ein eigener schottischer Staat tatsächlich auf soliden Beinen stehen würde – oder ob sie doch besser aufgehoben wären im Vereinigten Königreich. Auch die Vorstellung, dass zwischen einem in der EU verbleibenden Schottland und einem irgendwann nicht mehr zur EU gehörenden England plötzlich Zollschranken errichtet werden müssten, ist vielen nicht geheuer. Die Turbulenzen, die das Brexit-Drama auslöste, sind so nicht einfach den Nationalisten zugute gekommen. Sie haben zu genereller Verunsicherung geführt.

      In dieser Situation hat die SNP-Regierungschefin versucht, einen Kompromiss mit Premierministerin Theresa May auszuhandeln. Sie sei bereit, erklärte Sturgeon, schottische Unabhängigkeit auf die lange Bank zu schieben – solange ihr Land einen „guten Deal“ in Sachen Brexit erhalte von May. Im Idealfall sollten die Schotten in der EU verbleiben können, während andere Teile des Königreichs sich aus der Europäischen Union ausklinkten. Auf jeden Fall aber müsse Schottland, mit oder ohne England, weiter am EU-Binnenmarkt teilhaben. Das, so sagte Sturgeon, sei für sie unverzichtbar. Es sei das absolute Minimum für sie.

      Quelle: Stuttgarter Zeitung

      THE BRIEF FROM BRUSSELS: BREXIT-DEBATTE GEHT INS OBERHAUS

      Am Mittwoch stimmte das britische Unterhaus dem Gesetzesentwurf zu, der Premierministerin Theresa May die Vollmacht erteilen soll, die EU-Austrittsverhandlungen einzuleiten. Mit die Abstimmung nähert sich der Prozess im Rahmen des britischen parlamentarischen Systems seinem Ende. Es folgt eine Abstimmung im Oberhaus, danach kehrt der Vorschlag ins Unterhaus zurück. Nun könnte es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Häusern kommen, doch das ist wenig wahrscheinlich. Es gibt nämlich eine Debatte über den Nutzen des Oberhauses, dessen Mitglieder nicht gewählt werden. Man kann somit davon ausgehen, dass sich das House of the Lords dem Vorschlag über die Scheidung von der EU nicht widersetzen wird, um die Fortsetzung jener Debatte zu vermeiden. Mehr dazu in The Brief from Brussels.

      Hier geht es zu den Briefen: Klick mich!

      Quelle: Euronews

      Der harte Abschied rückt näher

      Status der EU-Bürger

      Der letzte Änderungsantrag hatte es in sich: Mit ihm wollte Labour die Regierung dazu zwingen, den derzeit in Großbritannien lebenden EU-Bürgern schon vor dem Beginn der Verhandlungen ein Bleiberecht zuzusichern. Diese Abstimmung war mit Spannung beobachtet worden, hatten sich doch auch einige Tories dafür ausgesprochen. Doch auch diesen Antrag überstimmten die regierenden Konservativen.

      Der Innenministerin Amber Rudd war es offenbar gelungen, die kritischen Abgeordneten in den eigenen Reihen vor der Abstimmung auf ihre Seite zu ziehen. Sie versicherte ihnen in einem Schreiben, dass sich durch den Beginn des Brexit-Prozesses am Status der derzeit rund drei Millionen EU-Bürger in Großbritannien nichts ändern werde – zumindest vorerst. Rudd schob die Schuld dafür, dass es bislang keine Einigung in dieser Frage gibt, "einigen EU-Staaten" zu. Allen voran Deutschland hat bislang darauf beharrt, keine Gespräche über den EU-Austritt zu führen, so lange London den EU-Austritt nicht formell in die Wege geleitet hat.

      Rudd machte jedoch klar, dass es in Zukunft Veränderungen geben werde. Sie habe immer deutlich gemacht, dass sie ein Einwanderungssystem unterstütze, das "unsere Wirtschaft unterstützt und unsere öffentlichen Dienste schützt", schrieb Rudd. Der Status der neu hinzuziehenden EU-Bürger solle durch ein Einwanderungssystem geregelt werden.

      Ihren größten Erfolg konnte May bereits am Dienstag feiern. Eine knappe Mehrheit der Abgeordneten sprach sich gegen einen brisanten Änderungsantrag der Labour-Partei aus. Diesem zufolge sollten die Abgeordneten die Möglichkeit erhalten, die Regierung zurück an den Verhandlungstisch mit der EU zu schicken, falls sie mit dem Ergebnis der Verhandlungen nicht einverstanden sein sollten.

      Für diesen Erfolg sicherte May ihren Kritikern zu, dass die Abgeordneten den endgültigen Austrittsvertrag mit der EU zur Abstimmung vorgelegt bekommen. Allerdings unter einer erheblichen Auflage: Sollte das Parlament dagegen stimmen, würde Großbritannien die EU ohne ein Abkommen verlassen und auf die Regeln der Welthandelsorganisation WTO zurückfallen. Für Großbritanniens Wirtschaft wäre das eine Katastrophe.

      May hat also auf ganzer Linie gewonnen. Labours Brexit-Schattenminister Keir Starmer versuchte, Mays Zusage dennoch als Erfolg darzustellen. Das Parlament habe May ein "gewaltiges und bedeutendes Zugeständnis" abgerungen. Der Labour-Abgeordnete Chris Leslie, der den Änderungsantrag eingebracht hat, klang weniger zuversichtlich. Das "sogenannte Zugeständnis" der Regierung werde nicht zu einer "bedeutungsvollen Abstimmung" führen, wie sie Labour gefordert habe. Angesichts des "Alptraum-Szenarios", das dem Land bei einem EU-Austritt ohne Abkommen drohen würde, hätten die Abgeordneten in Wirklichkeit wohl kaum eine andere Wahl, als dafür zu stimmen.

      Die Debatte wurde in den vergangenen Tagen bisweilen hitzig geführt. So verglich die konservative Abgeordnete Claire Perry die Brexit-Hardliner in ihrer Partei mit militanten Islamisten. "Ich komme mir manchmal so vor, als würde ich hier mit Kollegen sitzen, die in ihrer Unterstützung für den harten Brexit wie Dschihadisten sind. Kein Brexit ist hart genug."
      Wäre es nach Theresa May gegangen, hätte sie das Parlament gar nicht erst eingeschaltet. Sie plante, den Austrittsprozess mit der EU im Alleingang in Gang zu setzen. Dagegen zog eine Gruppe von Klägern vor Gericht – und gewann. Im November entschied der High Court in London unerwartet, dass die Regierung die Zustimmung des Parlaments einholen muss. Die Regierung ging gegen das Urteil in Berufung und verlor erneut. Das Oberste Gericht des Landes bestätigte das Urteil des High Courts. Brexit-Minister David Davis legte dem Parlament kurz darauf seinen äußerst knappen Entwurf für das EU-Austrittsgesetz vor. Die zentrale Passage, mit der die Abgeordneten die Regierung dazu ermächtigen, die EU über den Austrittswunsch Großbritanniens in Kenntnis zu setzen, ist gerade einmal 23 Wörter lang.

      Der wahre Verlierer: Labour

      Die Labour-Partei hat der Brexit in eine Sinnkrise gestürzt. Fast alle Labour-Abgeordneten haben sich im Vorfeld des Referendums im Juni für einen Verbleib in der EU stark gemacht. Doch nur ein Teil ihrer Wähler ist dieser Aufforderung gefolgt: die Mitglieder der kosmopolitischen Mittelschichten in den Städten. In mehr als zwei Dritteln aller Labour-Wahlkreise haben die Menschen mehrheitlich für den Brexit gestimmt. Nach einem monatelangen Hickhack über den zukünftigen Kurs der Partei hat sich Labour-Chef Corbyn nun hinter den Brexit gestellt. Er wies seine Abgeordneten an, für den Beginn des EU-Austritts zu stimmen.

      Doch bei der Abstimmung am Mittwoch verweigerten ihm 52 seiner Abgeordneten die Gefolgschaft und stimmten gegen das EU-Austrittsgesetz – ein Fünftel der Fraktion. Und auch viele Labour-Unterstützer nehmen Corbyn seinen neuen Kurs übel. Schon jetzt häufen sich Berichte über Parteiaustritte von Tausenden von Labour-Mitgliedern, die über den Pro-Brexit-Kurs ihres Parteichefs verärgert sind.

      Der Labour-Abgeordnete Clive Lewis, dessen Wahlkreis Norwich South beim EU-Referendum für einen Verbleib in der EU gestimmt hat, zog am Abend ebenfalls Konsequenzen. Er legte seinen Posten als Schatten-Wirtschaftsminister nieder. Lewis wird schon seit einigen Tagen als möglicher Nachfolger Corbyns gehandelt.

      Quelle: Zeit Online

      Brandrede in London - Blair ruft zum Widerstand gegen den Brexit auf

      Der frühere britische Premierminister Tony Blair hat zum friedlichen Widerstand gegen den Brexit aufgerufen. Viele Briten seien bei dem Votum getäuscht worden, so der Labour-Politiker.

      "Es ist Zeit, sich zu erheben und das zu verteidigen, an das wir glauben", sagte er in London. Wer für den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union sei, müsse Brexit-Befürworter umstimmen.

      Zugleich kritisierte Blair seine eigene Labour-Partei als zu schwach, um dem Brexit etwas entgegenzusetzen. "Ich hasse das zu sagen, aber es ist wahr." Es müsse über die Parteigrenzen hinweg eine Bewegung geben, um den Austritt aus der EU doch noch zu verhindern.

      Blair hielt seine Rede kurz vor den Beratungen im Oberhaus zu einem Brexit-Gesetz. Das ist notwendig, damit Premierministerin Theresa May die Austrittserklärung abgeben kann. Sie will das bis Ende März erledigt haben. Erst danach können die Verhandlungen mit der EU beginnen.

      Rede als "arrogant" kritisiert

      May wolle den "harten Brexit" - also die Trennung von der EU einschließlich des Europäischen Binnenmarktes - um jeden Preis, sagte Blair auf dem Treffen der Gruppe "Open Britain", die sich für den Verbleib in der EU einsetzt. Diese Kosten müssten schonungslos aufgedeckt werden.

      Viele Menschen, die für den Brexit gestimmt hätten, seien unzureichend über die Folgen informiert und müssten aufgeklärt werden. Mit dem Brexit steige auch das Risiko, dass sich Schottland vom Vereinigten Königreich abspalte, warnte Blair. Konservative Politiker bezeichneten seine Rede als arrogant.

      Blair hatte bereits im vergangenen Herbst die Möglichkeit eines zweiten Brexit-Referendums ins Spiel gebracht. Die Tory-Regierung lehnt eine weitere Volksabstimmung jedoch kategorisch ab. "Brexit heißt Brexit", lautet Mays Motto.

      Der Labour-Politiker Blair war von 1997 bis 2007 britischer Regierungschef. Bei einem Referendum am 23. Juni 2016 hatten 52 Prozent der Briten für einen EU-Austritt (Brexit) gestimmt. Nun debattiert das britische Parlament über ein Brexit-Gesetz.

      Quelle: t-online.de

      Was Schotten und Nordiren über den Brexit denken

      Während eine Unabhängigkeit Schottlands von der Tagesordnung verschwunden ist, wächst die Unruhe in Nordirland wegen des bevorstehenden Brexit. Der EU-Austritt könnte alte Konflikte wiederbeleben.

      Als die Briten vor einem Jahr mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der EU stimmten, witterte Nicola Sturgeon eine neue Chance. Das Lebensziel der Chefin der Schottischen Nationalpartei, SNP, ist die schottische Unabhängigkeit. Eine Volksbefragung 2014 hatte zwar ergeben, dass 55 Prozent der Schotten für den Verbleib im Vereinigten Königreich waren. Beim Brexit-Referendum hatte Schottland aber gegen den Trend gestimmt; rund 60 Prozent der Schotten wollten in der EU bleiben. Das bedeutete, dass Schottland entgegen dem erklärten Willen seiner Bewohner aus der EU geführt werden könnte. Für Nicola Sturgeon durfte das nicht sein. Sie forderte ein neues Unabhängigkeitsreferendum und war sich sicher, dass sie ihr Ziel eines eigenständigen EU-Mitglieds Schottland jetzt doch noch erreichen würde.

      Ein Jahr später sind die schottischen Nationalisten kleinlaut geworden. Michael Russell, Brexit-Minister der SNP-Regierung in Edinburgh, sagt heute, er wolle "den am wenigsten schlechten Brexit für Schottland", fügt aber hinzu, man müsse ebenso dafür sorgen, "dass ein Wiedereintritt Schottlands (in die EU) möglich ist, falls sich Schottland zu einem späteren Zeitpunkt für diesen Weg entscheidet".

      Im Moment ist die Stimmung aber eine andere. Bei der jüngsten Unterhauswahl hat die bisher erfolgsverwöhnte SNP in Schottland massenweise Sitze verloren, in vielen Fällen ausgerechnet an die Konservativen, also an die Partei, die mit dem Ziel eines "harten" Brexit in den Wahlkampf gezogen war. Die Unabhängigkeitseuphorie in Schottland scheint verflogen. Wer es wissen wollte, hätte es aber schon vor der Wahl erfahren können. Umfragen hatten ergeben, dass ein neues Unabhängigkeitsreferendum heute praktisch mit dem gleichen Ergebnis enden würde wie 2014, nämlich rund 55 zu 45 Prozent dagegen. Mehr noch, eine Mehrheit ist der Meinung, ein neues Referendum sei überflüssig, weil es ja erst vor drei Jahren eines gegeben habe.

      Nordirland will keine Grenzkontrollen

      Der Albtraum einer neuen Grenze entlang des Hadrianswalls scheint also passé. Auf der anderen Seite drohen aber Komplikationen in Irland an der Grenze zwischen der Republik und Nordirland, das zum Vereinigten Königreich gehört. Hier wird in Zukunft eine EU-Außengrenze verlaufen. Und die Probleme dürften dadurch wachsen, dass die britische Premierministerin Theresa May zum Regieren auf die Unterstützung der zehn Unterhausabgeordneten der nordirischen Demokratisch-Unionistischen Partei, DUP, angewiesen ist.

      Beim Brexit ist die DUP gespalten. Die Partei ist zwar grundsätzlich für den EU-Ausstieg, will aber eine gut gesicherte Grenze zur Republik - einschließlich Zollkontrollen - verhindern. Im Moment ist die Grenze sehr durchlässig, und "niemand in Nordirland" wolle das ändern, sagt DUP-Chefin Arlene Foster. Harte Grenzkontrollen in Irland drohen jedoch unweigerlich bei einem harten Brexit, das heißt, wenn Großbritannien aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion aussteigt.

      Dazu kommt noch die politische Unruhe, die das Abkommen zwischen May und Foster ausgelöst hat. Die protestantisch-unionistische DUP stört die neutrale Rolle, die London bei der Vermittlung im Nordirland-Konflikt eigentlich einnimmt. Wenn sich die britische Regierung durch ihr lockeres Bündnis mit der DUP auf die protestantisch-unionistische Seite in Nordirland schlägt, dürften sich die politischen Spannungen dort noch verschärfen. Die nordirische Regionalregierung aus Unionisten und irischen Nationalisten, die seit dem sogenannten Karfreitagsabkommen von 1998 für eine halbwegs funktionierende Selbstverwaltung sorgt, ist zerbrochen. Wenn sich beide Seiten nicht bis kommenden Donnerstag auf eine neue Regierung einigen, könnte London die Provinz wieder unter seine direkte Verwaltung stellen.

      Gerry Adams, Chef der irisch-nationalistischen Partei Sinn Fein, die sich die Macht in Belfast bisher mit der DUP geteilt hatte, sagte vom Abkommen der Konservativen mit der DUP, es bedeute "einen Blankoscheck für einen Brexit im Sinne der Tories, der das Karfreitagsabkommen gefährdet". Das Karfreitagsabkommen hatte dem Nordirland-Konflikt, der in drei Jahrzehnten 3.600 Menschenleben forderte, ein vorläufiges Ende gesetzt.

      Warnung der Tory-Patriarchen

      Es nützt in der aufgeladenen Situation gar nichts, dass Theresa May der DUP als Gegenleistung für ihre Unterstützung eine zusätzliche Milliarde Pfund für Nordirland zusagte, Geld, das die schwach entwickelte Region eigentlich gut gebrauchen kann. Denn jetzt beschweren sich Politiker in Schottland und Wales, warum Nordirland eine Finanzspritze bekommen soll, ihre Regionen aber nicht. Nicola Sturgeon fühlt sich nur bestätigt: "Dieses schäbige Abkommen zeigt, dass die Tories vor nichts zurückschrecken, nur um an der Macht zu bleiben."

      Die britischen Konservativen sind traditionell die Partei, die das Vereinigte Königreich zusammenhalten will. Aus Sorge um diesen Zusammenhalt melden sich jetzt einige Tory-Patriarchen zu Wort. Da ist der frühere Premierminister John Major, der warnt, durch das Abkommen mit der DUP sei der Friedensprozess in Nordirland in Gefahr. Und was Schottland betrifft, so ruft auch Mays Vorgänger David Cameron zu mehr Rücksichtnahme beim Brexit auf. Cameron wird bei einer Rede in Polen von der "Financial Times" mit den Worten zitiert: "Schottland hat gegen den Brexit gestimmt. Ich glaube, viele schottische Konservative wollen Änderungen am Brexit-Prozess." Doch es war immerhin Cameron, der das Brexit-Referendum überhaupt beschlossen hatte. Und es war May, die sich ein stärkeres Brexit-Mandat durch eine vorgezogene Wahl sichern wollte und ihre Mehrheit verlor. Der frühere Tory-Minister und EU-Kommissar Chris Patten sieht denn auch in diesen beiden Entscheidungen seiner Parteifreunde "das politisch Schädlichste, was ich je erlebt habe". Dank der "katastrophalen Entscheidungen zweier konservativer Premierminister stecken wir jetzt furchtbar in der Tinte."

      Quelle: DW


      “For where all love is, the speaking is unnecessary. It is all. It is undying. And it is enough.”



      "I wanted ye from the first moment I saw ye. But I loved ye when ye wept in my arms that first night at Leoch. But now...I wake up every day, and I find that I love you more than I did the day before."

      Separatisten-Partei wartet auf das Brexit-Desaster

      Die Schottische Nationalpartei hat mit ihrer Forderung nach einem zweiten Unabhängigkeitsreferendum eine Schlappe eingefahren. Doch aufgeben kommt nicht in Frage. Verhältnisse wie in Katalonien soll es aber nicht geben.

      ährend der Drang nach Unabhängigkeit in Katalonien zu eskalieren droht, halten sich die schottischen Separatisten derzeit mit Abspaltungsforderungen zurück. Beim Parteitag der Schottischen Nationalpartei (SNP) diese Woche schloss Regierungschefin Nicola Sturgeon ein einseitiges Vorgehen wie von der Regionalregierung in Barcelona weitgehend aus.

      „Ich wollte nicht in der Position sein, dass wir uns in Schottland für die Unabhängigkeit in dieser Art von Umständen und Umgebung entscheiden“, sagte Sturgeon dem britischen Fernsehsender ITV mit Hinblick auf Katalonien. Trotzdem forderten die SNP-Delegierten Madrid in einer Resolution einstimmig auf, das Votum der Katalanen zu respektieren.

      Die Schotten hatten bereits 2014 über eine Abspaltung von Großbritannien abgestimmt, anders als in Spanien aber mit dem Einverständnis der Zentralregierung in London. Eine Mehrheit entschied sich dagegen. Seitdem rührt die SNP die Trommel für eine zweite Volksabstimmung. Die britische Premierministerin hatte dem eine klare Absage erteilt, eine Konfrontation schien unausweichlich.

      Doch seit der jüngsten Parlamentswahl im Juni sind die Rufe nach einem zweiten Referendum in Schottland verhaltener geworden. Regierungschefin Sturgeon ruderte zurück mit ihrer Ankündigung, das Referendum solle bereits zwischen Herbst 2018 und Frühjahr 2019 stattfinden. Zu deutlich war die Schlappe bei der jüngsten Parlamentswahl auch eine Absage an die Verknüpfung zwischen Brexit und Unabhängigkeit, die Sturgeon hergestellt hatte.

      Doch seit der jüngsten Parlamentswahl im Juni sind die Rufe nach einem zweiten Referendum in Schottland verhaltener geworden. Regierungschefin Sturgeon ruderte zurück mit ihrer Ankündigung, das Referendum solle bereits zwischen Herbst 2018 und Frühjahr 2019 stattfinden. Zu deutlich war die Schlappe bei der jüngsten Parlamentswahl auch eine Absage an die Verknüpfung zwischen Brexit und Unabhängigkeit, die Sturgeon hergestellt hatte.

      In den Augen des Politikwissenschaftlers John Curtice von der Universität Strathclyde in Glasgow ist es ein Spiel auf Zeit. „Sturgeon hält sich gerade ihre Optionen offen“. Die SNP spekuliere darauf, dass sich der EU-Austritt als Desaster erweise und sich genügend Wähler von den Vorteilen der Unabhängigkeit überzeugen ließen. Möglicherweise setze die SNP auch auf ein zweites Brexit-Referendum. Ob diese Strategie aufgeht, bleibt abzuwarten.

      Sorgen könnte der SNP ausgerechnet eine Brexit-Gegnerin bei den Konservativen bereiten. War Sturgeon in den letzten Jahren die einzige Powerfrau in der schottischen Politik, muss sie sich diesen Status nun mit Ruth Davidson teilen. Die Vorsitzende der schottischen Konservativen war der Star der Parlamentswahlen im vergangenen Juni. Ihre Partei nahm der SNP 12 Wahlbezirke ab und erzielte das beste Ergebnis seit 1983. Beim Parteitag der Konservativen Anfang Oktober in Manchester wurde sie wie ein Popstar gefeiert. Manch einer traut Davidson sogar das Amt der britischen Premierministerin zu.

      Quelle: Handelsblatt


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      Regionalkonflikte : Separatismus führt in die Irre

      Ein Europa der Vielfalt: Das ist die richtige Antwort auf den regionalen Nationalismus in Katalonien und anderen Gebieten. Nicht neue Grenzen und völkisches Denken.

      Lombarden und Venetier, wie sich am Wochenende gezeigt hat, Basken, Korsen, Schotten und selbst einige Bayern wollen ihren eigenen Staat, jedenfalls mehr Eigenständigkeit. Abgegrenzt von ihrem bisherigen Land, von dem sie sich in ihren Rechten und ihrer Autonomie beschnitten fühlen, der ihnen zu viele Steuern abknöpfe, kurz: ihre Freiheit einschränke.

      Das führt zu Konflikten, vor allem dann, wenn beide Seiten auf stur schalten und nicht miteinander reden, wie seit Wochen und Jahren die spanische Zentralregierung von Mariano Rajoy und ihr katalanischer Gegenpart um Carles Puigdemont. Aber ist der Wunsch nach Eigenstaatlichkeit überhaupt berechtigt und begründet?

      Zunächst einmal: Europa braucht nicht noch mehr Grenzen und Staaten. Im Gegenteil. Darüber besteht eigentlich Konsens, außer bei den jeweiligen Separatisten und Regionalisten. Schon gar nicht braucht Europa noch mehr Nationalismus und völkisches Denken, das in dem Bemühen einer Minderheit der Katalanen zum Ausdruck kommt, sich als eigenes Volk zu definieren und deshalb nach einer eigenen Nation zu rufen. Die EU hat in Gestalt der rechtsnationalistischen Parteien schon mehr als genug davon.

      Nun kann man natürlich wie der österreichische Schriftsteller Robert Menasse, der gerade für seinen Brüsselroman Die Hauptstadt den deutschen Buchpreis erhalten hat, argumentieren, jedes Völkchen solle in einem Europa der Regionen für und mit sich selbst glücklich werden. Schließlich garantiere der Lissabonner EU-Vertrag nicht den Bestand der Mitgliedsstaaten in ihren derzeitigen Grenzen und ihrer jetzigen Form, sondern nur ein gemeinsames Dach für die vielen Regionen mit ihren Eigenheiten und unterschiedlichen Kulturen. Also sei gegen eine Abspaltung Kataloniens nichts einzuwenden.

      Das mag eine erfrischende, minderheitenfreundliche Sichtweise sein. Aber sie wirkt naiv. Denn wohin würde es führen, wenn sich innerhalb beziehungsweise dann zunächst außerhalb der EU weitere Kleinstaaten von der Größe Zyperns, Maltas oder Luxemburgs oder auch größerer kleiner Länder wie Belgien, Österreich oder Finnland bilden würden? Zu noch mehr Streitereien mit den bisherigen Mutterländern und den übrigen EU-Staaten. Mit 28 oder bald 27 Staaten ist die Union schon heute oft handlungsunfähig, weil sie sich auf kein gemeinsames Vorgehen einigen kann. Bei 30, 35 oder gar 40 Staaten von Groß- und Kleinwuchs würde es noch schlimmer.

      Neue Nationen hätten nichts zu gewinnen, aber viel zu verlierenAuch den neuen Nationen wäre kaum gedient. Denn sie wären zuerst ganz auf sich gestellt. Die Katalanen – nicht nur die, die in dem umkämpften Referendum für die Unabhängigkeit gestimmt haben, sondern auch die, die dagegen und deshalb nicht hingegangen sind – haben einen Vorgeschmack darauf bekommen, als große spanische Banken und Unternehmen ihren Abzug aus ihrer Hauptstadt Barcelona ankündigten. Die Börsen bebten. Statt mit ihrer bisherigen Zentralregierung müssten sie sich dann mit der EU-Kommission in Brüssel und den Staats- und Regierungschefs der großen Länder wie Deutschland herumschlagen. Die werden kaum freiwillig auf ihre Wünsche eingehen, um nicht noch weitere Separatisten anzustacheln, es ihnen nachzutun.

      Was also können die Katalanen gewinnen, außer einem Regionalpräsidenten, der unbedingt Regierungschef eines unabhängigen Staates werden will, einem Parlament, das sich mit knapper Mehrheit ebenfalls aufmendeln möchte zu einer nationalen Volksvertretung, einer Hymne, einer eigenen Währung und Grenzen, die sie dann selbst bewachen müssten? Wenig bis nichts.


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      Es geht aber nicht um Folklore. Dann wäre es harmlos. Es geht um knallharte Interessen. Denn auffallend ist, dass die neuzeitlichen westeuropäischen Separatisten fast alle aus wohlhabenden Regionen stammen. Katalonien ist eines der reichsten Gebiete Spaniens. Für die Basken, die Lombarden und Venetier in Norditalien und die ölreichen Schotten gilt das ebenso wie für die Anhänger eines echten bayerischen Freistaates. Sie wollen wie einst die britische Eiserne Lady Margaret Thatcher ihr Geld zurück – von den gefräßigen Schwestern und Brüdern im übrigen Teil ihres ungeliebten Heimatlandes. Man kann das mit Fug und Recht wie der Politikwissenschaftler und Europakenner Claus Leggewie"Wohlstandschauvinismus" nennen.

      Die richtige Antwort darauf aber kann und darf nicht noch mehr Kleinstaaterei heißen. Deutschland war, als es noch in viele Fürstentümer und das aufkommende Preußen zerteilt war, der kranke Mann Europas und deshalb für die anderen Völker des Kontinents gefährlich. Noch gefährlicher wurde es Ende des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als es zu einem mächtigen Zentralstaat unter erst kaiserlich-preußischer und schließlich Naziherrschaft wurde. Erst der starke Förderalismus, von den Sieger- und Besatzungsmächten auferlegt, machte Deutschland zu dem, was es heute ist: ein ausbalancierter föderaler Staat, der ständig um mehr Macht für den Bund, die Länder oder Europa ringt, der aber allen Regionen Freiheiten im gesamtstaatlichen und europäischen Rahmen ermöglicht.

      Vom deutschen Föderalismus lernen

      Deshalb ist der Wunsch nach einem Bayernland oder einer Restitution des Königreichs Sachsen heute wirklich nur noch fröhliche Folklore. In Katalonien ist der Separatismus bitterer Ernst, weil Spanien ein zu wenig föderaler Staat ist. Großbritannien, Frankreich und Italien, ebenfalls zentralistisch aufgebaut, haben in den vergangenen Jahren damit begonnen, den Regionen mehr Eigenständigkeit zu gewähren. Das kann die Konflikte zwar nicht beseitigen, aber mildern. Die Schotten durften sogar frei über ihre Unabhängigkeit abstimmen. Und siehe da: Die Mehrheit war dagegen.

      Die Katalanen durften es nicht. Eine Eselei, für die Rajoy irgendwann wird zahlen müssen, wenn der Nationalrausch auch bei einem Großteil der nicht-katalanischen Spanier dem Katzenjammer gewichen sein wird. Nationalismus ist eine Sucht und ein Wahn. Besser, man lässt die Finger davon. Auf beiden Seiten.

      Quelle: Die Zeit


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      So könnten Schotten und Nordiren in der EU bleiben

      England und Wales wollen raus aus der EU, Schotten und Nordiren wollen bleiben. Könnte gehen, heißt es in einer britischen Studie: Man müsse nur eine Föderation gründen - und eine alte Grenze wieder aufbauen.


      Was die Studie in der aktuellen Ausgabe des "Cambridge Yearbook of European Legal Studies" vorschlägt, klingt im ersten Augenblick verrückt: Der Jurist Nikos Skoutaris von der East Anglia University befasst sich darin mit verschiedenen Möglichkeiten, Großbritannien so zu verändern, dass England und Wales ihren Brexit bekommen und Schottland und Nordirland zugleich in der EU bleiben könnten.

      uristisch denkbar, sagt Skoutaris, wären zwei Wege:

      Möglichkeit 1: Die Aufspaltung

      Schottland könnte seine Unabhängigkeit erklären, Nordirland sich mit der Republik Irland vereinigen. Einen entsprechenden Anlauf hat Edinburgh bereits 2014 unternommen. Doch das schottische Unabhängigkeitsreferendum scheiterte damals. Allerdings: Die Trennung von Großbritannien ist seit dem Brexit-Entschluss vom Juni 2016 wieder Thema in allen Streits mit London.

      Der Haken daran: Die Schotten brauchen Londons Erlaubnis für ein neues Referendum - die Entscheidung über solche Fragen liegt laut Scotland Act von 1998 bei der Zentralregierung in London. Dazu kommt, dass Schottland dann das EU-Aufnahmeverfahren durchlaufen müsste, und das dauert Jahre. All das macht das Trennungsszenario sehr unwahrscheinlich.

      Prinzipiell einfacher wäre es im Fall Nordirland: Der Friedensvertrag von 1998, der den Bürgerkrieg offiziell beendete, erlaubt die Vereinigung mit Irland per Volksentscheid. Nordirland wäre dann sofort Teil des EU-Mitglieds.

      Doch das wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit auch das Ende des Friedensprozesses. Eine Mehrheit für die Vereinigung gibt es in der nordirischen Bevölkerung nicht. Und die Radikalen unter den Protestanten würden den Zusammenschluss kaum hinnehmen.

      Möglichkeit 2: Ein britischer Föderalstaat

      Derzeit sind England, Schottland, Nordirland und Wales Landesteile der Union, des Vereinigten Königreichs - mit Rechten, die mitunter denen der deutschen Bundesländer ähneln. Doch was wäre, wenn Großbritannien sich in eine echte Föderation aus vier Nationen umwandeln würde, von einer Bundesregierung verwaltet? Zwei dieser Staaten, Schottland und Nordirland, bekennen sich in diesem Szenario zur EU-Mitgliedschaft, England und Wales entscheiden sich zum Ausstieg. Formell behielte Großbritannien so zwar seine "Union", trotzdem bekäme jeder, was er will.

      Ein Gedankenspiel, aber nicht unmöglich, sagt Jurist Skoutaris, wenn es um die EU geht: Deren Rechtspraxis gäbe eine solche Lösung durchaus her.

      Denn die Europäische Union habe schon gezeigt, wie flexibel sie mit solchen Fällen umgehen könne. Beispiel Grönland und die Färöer: Die Gebiete gehörten zwar als gleichberechtigte Nationen zum Königreich Dänemark, nicht aber zur EU - beide bilden hingegen einen Wirtschaftsraum mit Island.

      Als echter Präzedenzfall könnte tatsächlich Grönland dienen: Die Grönländer entschieden sich 1982 zum Austritt aus der EU. Brüssel gestand ihnen das zu, obwohl Dänemark zugleich EU-Mitglied blieb. Grönland machte man 1985 zum "assoziierten Territorium" - und schaffte so die wirtschaftliche Trennung, ohne den Grönländern ihre Rechte als EU-Bürger zu nehmen.

      Britische Union mit harter Binnengrenze

      Könnte man Großbritannien also schlicht in einen Staatenbund umwandeln, dessen Einzelteile unterschiedliche Wege gingen? Rein juristisch, meint Skoutaris, sei das möglich. Als prinzipiell autonome Staaten innerhalb eines britischen Bundes könnten Nordirland und Schottland in der EU verbleiben - solange die zollrechtliche Trennung von England und Wales gewährleistet wird.

      Großbritannien brauchte also eine harte Binnengrenze, und die würde grob entlang des historischen Hadrianswalls verlaufen. Mit dieser Festungsmauer trennten die Römer vom 2. bis 5. Jahrhundert den von ihnen beherrschten Teil Britanniens vom nördlich liegenden Schottland ab. Ein neuer, wieder gesicherter Hadrianswall würde die Grenze zwischen EU und Rest-Britannien ins britische Binnenland verschieben.

      Überwacht werden müsste diese Grenze durch Schottland und Nordirland. Das aber wäre eine Mammutaufgabe: Nicht nur der Waren-, auch der Personenverkehr müsste analog zur Green-Line-Regelung auf Zypern im Stile einer harten Grenze kontrolliert werden, schreibt Skoutaris. Schließlich verliefe quer durch Großbritannien dann auch die Grenze des Schengenraums. Die Folge: mehrere zehn Millionen Personenkontrollen pro Jahr.

      Fünf Fragen an Nikos Skoutaris

      Wird es im Brexit-Prozess Verhandlungen um Vorschläge wie Ihre geben?

      Das hat gewissermaßen schon begonnen. In Bezug auf Nordirland haben sich sowohl Großbritannien, als auch die EU darauf verständigt, einen flexiblen Ansatz zu suchen. Meine Studie zeigt, dass das Recht der EU flexibel genug ist, auch phantasievolle Lösungen zuzulassen. Die GUE/NGL-Fraktion im Europäischen Parlament hat mich mit einer Expertise zu Lösungsmöglichkeiten für Nordirland beauftragt, die auf meiner Studie basiert.

      Wer hätte etwas davon, wenn Schottland und Nordirland als Teilstaaten einer britischen Föderation in der EU blieben?

      Für die britische Regierung wäre das reizvoll, wenn es eine komplette Abspaltung der zwei Teilstaaten verhindern würde. Schottland und Nordirland könnten so innere Zerwürfnisse und Spannungen vermeiden, die eine Unabhängigkeitserklärung verursachen würde. Der Friedensprozess in Belfast würde weniger gefährdet.

      Was würde ein Bundesstaat Britannien für die Bürger bedeuten?

      Briten, Iren und Schotten ist die Freizügigkeit auf den britischen Inseln garantiert, da würde sich wenig ändern. Beim Warenverkehr sähe das anders aus: Es würde Zollgrenzen im Inland geben. Aber seien wir mal ehrlich: So oder so wird Nordirland nach dem Brexit in der unglücklichen Lage sein, eine Zollgrenze überwachen zu müssen. Entweder eine irische Binnengrenze, oder eine Seegrenze gegenüber dem UK.

      Sind Ausnahmefälle wie Grönland, die Färöer oder Zypern wirklich auf ein flexibles Brexit-Szenario übertragbar, wie Sie es beschreiben?

      Da gibt es große Unterschiede. Grönland und die Färöer, die zur EU keine direkte Grenze haben, entschieden sich zum Ausstieg aus der EU, während das Land, mit dem sie verbunden waren, in der Gemeinschaft blieb. Beim Brexit wäre das umgekehrt. Für alle Fälle gibt es historische Gründe, die sich stark vom aktuellen Prozess unterscheiden. Trotzdem sind sie interessant, weil sie die legalen Mechanismen zeigen, die der EU diese Art Ausnahmeregelungen ermöglichen. Sie sind Inspirationen für mögliche juristische Regelungen.

      Aber wären Ihre Szenarien auch praktikabel?

      Sie sind nicht perfekt, sondern mit bedeutenden praktischen Problemen behaftet, die gelöst werden müssten. Der grundlegende Gedanke dahinter ist aber, dass der Brexit erhebliche Spannungen im Gefüge Großbritanniens und seines politischen Lebens verursachen wird. Das gilt besonders für den Friedensprozess in Nordirland. Die Möglichkeiten, die ich vorstelle, sollen diese Spannungen vermeiden.

      Eine solche Lösung würde zudem die Brexit-Idee auf den Kopf stellen. Denn grundsätzlich verbliebe der zu schaffende Bundesstaat ja in der EU - und nur seine Teilstaaten England und Wales träten aus. Auch wenn das politisch undenkbar ist, rechtlich wäre dieses Modell möglich - laut Skoutaris auch nach britischem Gesetz.

      Man müsste nur die Zuständigkeiten und Autoritäten der jeweiligen regionalen Regierungen anders gewichten - London also ein Stück entmachten und Belfast und Edinburgh mit mehr Autonomie ausstatten.

      Nach britischem Recht wäre all das mit Verträgen zu regeln. Eine Verfassungsänderung wäre nicht nötig, denn eine formelle britische Verfassung gibt es nicht: der Staat beruht auf gewachsenen Rechtsstandards und Verträgen.

      Quelle: Spiegel Online







      “For where all love is, the speaking is unnecessary. It is all. It is undying. And it is enough.”



      "I wanted ye from the first moment I saw ye. But I loved ye when ye wept in my arms that first night at Leoch. But now...I wake up every day, and I find that I love you more than I did the day before."