EU-Referendum / Brexit

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    Es gibt 435 Antworten in diesem Thema. Der letzte Beitrag () ist von The Flying Scotsman.

      Forderungen nach Referendum: Brexit und Corona - Schottland hofft auf Unabhängigkeit

      Edinburgh (dpa) - Brexit und Corona-Krise lassen Befürworter der schottischen Unabhängigkeit mehr denn je auf die Loslösung von Großbritannien hoffen. Seit Monaten spricht sich in Umfragen eine Mehrheit der Schotten für die Unabhängigkeit aus.

      "Die nationalistische Bewegung steht der Realisierung ihres Vorhabens so nahe wie nie", sagte Politikprofessor John Curtice von der Universität Strathclyde in Glasgow der Deutschen Presse-Agentur.

      Treiber ist zuvorderst der Brexit. Beim Referendum 2016 hatte eine klare Mehrheit der Schotten gegen den Austritt aus der EU gestimmt. "Jetzt kann nur die Unabhängigkeit die Möglichkeit zur EU-Mitgliedschaft schaffen, die von der überwältigenden Mehrheit der Schotten gewünscht wird", betont Fabian Zuleeg, Chef des European Policy Centre in Brüssel. Kirsty Hughes, Direktorin des Thinktanks Scottish Council on European Relations in Edinburgh, weist darauf hin, dass die Befürworter die Demographie auf ihrer Seite hätten. "Bei den Menschen unter 35 Jahren sind 70 oder 80 Prozent für die Unabhängigkeit und für die EU", sagte sie der dpa.

      Angetrieben wird diese Zustimmung auch vom Krisenmanagement in der Corona-Pandemie. Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon werde hier als viel kompetenter eingestuft als der britische Ministerpräsident Boris Johnson, sagte Curtice. "Der Premierminister ist bekannt dafür, dass er sich nicht so sehr um die Details kümmert. Sturgeon hingegen klingt wie die oberste Amtsärztin, wie eine Top-Wissenschaftlerin", sagte der Experte. "Es besteht kein Zweifel, dass Boris Johnson unwillentlich zum besten Rekrutierer der nationalen Bewegung in Schottland geworden ist", sagte Curtice.

      In einer Volksabstimmung 2014 hatte sich eine knappe Mehrheit noch gegen die Unabhängigkeit ausgesprochen. Johnson lehnt ein neues Referendum ab und betont, die Frage sei für diese Generation geklärt. Doch Befürworter weisen darauf hin, die Bedingungen hätten sich durch den EU-Austritt verändert. Am 6. Mai soll Schottland ein neues Parlament wählen, die regierende Schottische Nationalpartei (SNP) von Ministerpräsidentin Sturgeon hofft auf eine absolute Mehrheit.

      Der frühere SNP-Vize Angus Robertson kündigte an, Ziel sei eine neue Volksbefragung innerhalb der nächsten Legislaturperiode. Er warnte Johnson davor, die Abstimmung zu verhindern. Dessen Haltung sei anti-demokratisch, sagte Robertson der dpa. Auf die Frage, ob die Staatsform des Vereinigten Königreichs passend ist für das 21. Jahrhundert, laute die richtige Antwort nicht, eine Abstimmung zu verbieten. "Das entspricht nicht dem Gedankengut des 21. Jahrhunderts, das widerspiegelt eher das 18. oder 19. Jahrhundert."

      Die schottische Wirtschaft profitierte zuletzt von der Freizügigkeit in der EU. "Das ist der größte Binnenmarkt der Welt, und wir wollen dabei sein", sagte Robertson, der jahrelang SNP-Fraktionschef im britischen Parlament war und nun einen Pro-Unabhängigkeits-Thinktank leitet. Experten sehen durchaus Chancen, dass ein selbstständiges Schottland mit seinen etwa 5,5 Millionen Einwohnern wirtschaftlich überleben kann, verweisen auf Öl aus der Nordsee und reiche Fischbestände sowie den Tourismus. "Die Grenze mit England ist sicher ein großer Nachteil", sagte Hughes. "Andererseits gilt wieder die Freizügigkeit, und man könnte mehr Privatinvestitionen anlocken."

      Volksabstimmung, Unabhängigkeit, EU-Beitritt - diesen Ablauf kündigt Regierungschefin Sturgeon immer wieder an. Ein Wiedereintritt in die EU sei durchaus vorstellbar, sagte Experte Zuleeg in Brüssel. Beim Unabhängigkeitsreferendum 2014 hatte die EU ihre Ablehnung ziemlich deutlich gemacht. Und auch nun gebe es Mitglieder wie Spanien, die wegen Unabhängigkeitsbestrebungen im eigenen Land kritisch seien. "Aber der Grundtenor hat sich verändert, auch weil Großbritannien mit seiner Brexit-Politik viel Vertrauen zerstört hat", sagte Zuleeg.

      Klar ist: Eine Unabhängigkeit des nördlichen Landesteils hätte schwere Folgen, sind sich die Experten sicher. Das Vereinigte Königreich werde auseinanderbrechen, sagte der Verfassungsrechtler Robert Hazell vom University College London der dpa. "Es gibt bereits starke Signale einer steigenden Unterstützung für ein Referendum in Nordirland über die Wiedervereinigung mit Irland." Und auch in Wales erhielten Forderungen nach einer Unabhängigkeit Zulauf. "Johnsons Versprechen eines "Global Britain", stark und frei wegen des Brexits, würde sich als falsch erweisen", sagte Hazell.

      Der deutsche Historiker Holger Nehring lehrt seit Jahren an der schottischen Universität Stirling. "Der Unabhängigkeitsgedanke ist nicht mehr wegzubekommen", sagte Nehring. Das Vereinigte Königreich befinde sich in einer Staatskrise - "und zwar einer ganz gewaltigen".

      Quelle: t-online

      Spitze gegen London - Schottland hängt britische Flaggen ab

      Seit dem Brexit gehört auch Schottland nicht mehr zur EU, doch damit will sich das Land nicht abfinden. Jetzt hat die schottische Regierung die Flagge des Vereinigten Königreichs abgehängt – die der EU weht hingegen.

      Im Streit um ein neues Unabhängigkeitsreferendum sendet Schottland eine neue Spitze gegen die britische Regierung. Auf Regierungsgebäuden flattert neben der schottischen Fahne nun ständig die Flagge der Europäischen Union – nicht aber der britische "Union Jack". Dabei gehört Schottland seit dem Brexit nicht mehr zur EU, ist aber weiterhin Teil des Vereinigten Königreichs.

      EU-Flagge als Zeichen der Solidarität

      "Die EU-Fahne weht, um das überwältigende Votum der schottischen Bevölkerung widerzuspiegeln, in Europa zu bleiben, und als Zeichen der Solidarität mit den Hunderttausenden EU-Bürgern, die Schottland trotz des Brexits weiter ihr Zuhause nennen", teilte die Regionalregierung in Edinburgh der Deutschen Presse-Agentur mit. Die britische Fahne werde nur noch zu "bestimmten Daten und Anlässen" gehisst. Dies werde weiterhin der Fall sein.

      Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon fordert eine zweite Volksabstimmung über die Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich. Zwar hatte 2014 eine knappe Mehrheit der Einwohner eine Loslösung abgelehnt. Damals war Großbritannien aber noch Mitglied der EU.

      Sturgeon argumentiert nun, dass der britische EU-Austritt die Voraussetzungen verändert habe. Beim Brexit-Votum 2016 hatte Schottland deutlich für den Verbleib in der EU gestimmt. London lehnt eine neue Befragung ab, in Umfragen befürwortet seit Monaten aber eine Mehrheit der Schotten die Unabhängigkeit.

      Quelle: t-online

      Großbritannien geht – doch Schottland bleibt Europas Freund

      »Europa. Es heißt, dass wir Dich verlassen.Von unseren Gemeinsamkeiten rücken wir aber nicht ab.Zusammen sind wir weit gekommen und wir mögen Dich wirklich.Zum Abschied möchten wir Dir etwas versprechen.Du wirst immer einen Platz in unserem Herzen und an unserem Tisch haben.Unsere Arbeitsplätze und unsere Universitäten werden Dir immer offenstehen.Und an unseren Küsten wirst Du immer herzlich willkommen sein … an Deiner Stelle würde ich aber eine dicke Jacke mitbringen.Vor allem aber sind wir hier an Deiner Seite.Während wir uns für unseren Planeten und eine gerechtere Zukunft für alle einsetzen.Denn alte Freunde vergessen wir nicht.Und solange es Schottland gibt … bist Du immer willkommen, Europa.«

      Mit diesen emotionalen Worten bekennt sich die schottische Regierung eindeutig zu der Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Europa. Auch wenn Großbritannien jetzt zum 31.12.2020 endgültig die EU verlassen hat, legt Schottland großen Wert auf die Feststellung, das es auch zukünftig als enge Freunde an der Seite von Europa steht.


      Die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Schottland und Europa sind sehr eng und in vielen Jahren zusammengewachsen. Und das soll so bleiben – für Unternehmer, Arbeitnehmer, Studenten- und Schüleraustausche sowie letztendlich auch für die vielen Besucher aus der EU.Schottland gilt als offenherzige und progressive Nation, die entschlossen ist, eng an der Seite von Europa für gemeinsame Werte und Interessen einzutreten. So steht u.a. auch bei der schottischen Regierung ganz oben auf der Liste: die Bekämpfung der COVID19-Pandemie, die Verhinderung einer Klimakatastrophe (»Net Zero« bis 2045) und die Freizügigkeit bei Reisen und der Arbeitsplatzwahl, denn in Schottland arbeiten mehr als 230.000 EU-Bürger, die damit einen sehr wichtigen Beitrag zur schottischen Wirtschaft leisten.

      Quelle: Der Schottlandberater

      WENDEPUNKT BREXIT Wieso junge Schotten raus aus dem Königreich wollen – und sie diesmal gute Chancen haben

      Seit dem Brexit brodelt es in Schottland. Viele Bürger wünschen sich, ihr Land endlich vom Vereinigten Königreich loszueisen – besonders die Jüngeren. Sie sehen in der anstehenden Wahl einen wichtigen Meilenstein.
      Michael Gray will raus aus dem Vereinigten Königreich – am besten so schnell wie möglich. Der 29-jährige angehende Anwalt hat sich dem Kampf für ein unabhängiges Schottland verschrieben. Mit einigen Mitstreitern hat er "Skotia" gegründet – ein multimediales, journalistisches Start-Up mit klarer Positionierung pro Unabhängigkeit.

      Spätestens seit dem Brexit ist für Gray klar: "Die schottischen Stimmen spielen in London einfach keine Rolle." Das große Ziel von Gray und vielen anderen Schotten: ein neues Unabhängigkeitsreferendum. Die schottische Nationalpartei SNP will, wenn sie bei der anstehenden Wahl am 6. Mai eine absolute Mehrheit holt, genau das fordern.

      Schotten unter 50 klar für die Unabhängigkeit

      Der in Edinburgh lebende Gray ist mit seiner Vision bei weitem keine Ausnahme. In einer kürzlichen Meinungsumfrage sprachen sich bei den unter 35-Jährigen deutlich mehr als 60 Prozent für ein unabhängiges Schottland aus – erst in den über 45 Jahre alten Gruppen gab es keine Mehrheit mehr für eine Ablösung vom Vereinigten Königreich.

      "Die Unter-50-Jährigen sind in den meisten Umfragen klar für die Unabhängigkeit und das ist schon lange der Fall", hält Kirsty Hughes vom Scottish Centre on European Relations fest. "Und das sind nicht nur Teenager, die radikaler denken." Zeitweise lag die Zustimmung der Schotten in ihren Mitt-20er und 30er Jahren sogar noch höher als unter den Jugendlichen.

      Auch Frederic Bayer gehört zu dieser Gruppe. "Ich habe schon früher gedacht, dass es für Schottland Sinn machen würde, ein eigenständiges Land zu sein", sagt der 25-jährige gebürtige Deutsche, der sich selbst als "German Scot" – also deutscher Schotte – bezeichnet. Bayer lebt seit 2015, als er sein Studium begann, in Schottland. Zuvor war er mit seiner Mutter nach England ausgewandert. Auch für ihn war der Brexit ein Wendepunkt.

      Vor dem Referendum sei er mit anderen Freiwilligen durch die Städte gezogen, um mit Menschen über die EU zu sprechen, "faszinierend" sei das gewesen, erzählt er. Während in den britischen Medien Einwanderung und das Gesundheitssystem eine große Rolle im Pro-Brexit-Wahlkampf spielten, seien für die Schotten ganz andere Punkte entscheidend gewesen – etwa Fischfangquoten oder öffentlicher Nahverkehr.
      Brexit gibt Unabhängigkeitsbewegung neuen Schub

      Bei der Volksabstimmung über den Brexit im Jahr 2016 stimmten die Schotten mit einer klaren Mehrheit von 62 Prozent gegen den Austritt aus der EU. Für die Schottische Nationalpartei SNP, der Bayer selbst schon seit Jahren angehört, ist das eines der zentralen Argumente für ein neues Referendum. 2014 hatte sich noch eine knappe Mehrheit der Schotten gegen eine Loslösung vom Vereinigten Königreich entschieden – also noch vor der Entscheidung für den EU-Austritt. Doch der Brexit, da sind sich viele einig, hat der Unabhängigkeitsbewegung einen neuen Schub gegeben. Ohne den Verbund mit Großbritannien könnte der traditionell europafreundliche Landesteil nicht nur wieder der EU beitreten.

      "Es gibt eine starke Korrelation einer großer Zustimmung zur EU und zur Unabhängigkeit Schottlands", erklärt Kirsty Hughes. Gerade die jüngeren Generationen, die mit den Freiheiten der Europäischen Union aufgewachsen seien, wüssten diese zu schätzen. Ob Studieren, Reisen oder Arbeiten im Ausland – viele dieser Möglichkeiten sind durch den Brexit komplizierter geworden. Auch beim Brexit-Referendum gab es diese Altersschere bereits. Hätten nur die jüngere Hälfte der britischen Bevölkerung abgestimmt, wäre der Brexit nie passiert.

      Die Jüngeren, betont Hughes, seien auch bereits mit mehr schottischer Selbstbestimmung aufgewachsen als ihre Eltern und Großeltern. Seit 1998 haben die Regionalregierungen der britischen Landesteile mehr Entscheidungsgewalt unabhängig von London – derzeit ist das besonders spürbar, weil Schottland, Wales und Nordirland auch ihre Corona-Maßnahmen unabhängig von London gestalten. "Jüngere Menschen haben ein stärkeres Gefühl von Schottland als eigenständigem Land", so die Expertin.